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Der letzte Fall des Chefinspektor Müller

Meine Süße wird sich freuen, dachte er, als er mit dem Staubsauger durch sämtliche Räume düste. Staubwischen, das übriggebliebene Geschirr vom letzten Abendessen in den Geschirrspüler räumen und eine verschmorte Steckdose auswechseln, waren die Tätigkeiten, mit denen er sich den Nachmittag vertrieben hatte. Er wusste, dass Milli, wie er Ludmilla zumeist liebevoll nannte, nicht mehr weit sein konnte.

„Laura! Laura-Schätzchen“, rief er mit fester Stimme in Richtung des im ersten Stock des Hauses gelegenen Kinderzimmers. „Mach schön langsam Schluss und hilf mir bitte beim Decken des Tisches. Mama wird bald da sein und wir überraschen sie mit einem kleinen Dinner“, wollte er seine Tochter dazu bewegen, ihm ein wenig unter die Arme zu greifen. Sogar Blumen hatte er auf der nahen Wiese gepflückt und sie in einer kleinen Vase inmitten des Esstisches platziert. Dass von Laura keine Reaktion kam, nahm er wie üblich zur Kenntnis. Bestimmt hockt sie mit Kopfhörern auf den Ohren, aus denen die Musik wie bei einem Live-Konzert dröhnt, auf ihrer Couch und wippt ihren Kopf wie eine indische Laufente kurz vor der Paarung, dachte er, und musste selbst über seine seltsamen Gedanken schmunzeln. Oft schon hatte er diese Tiere, von denen einige am hauseigenen Hof die Nacktschnecken verspeisten, beobachtet, wie sie ihren langen Hals vor und zurück und auf und ab schwenkten. Immer, wenn sie paarungswillig waren.

Ludmilla kam nicht. Längst schon warteten Martin und Laura auf sie. Köstliche Sandwiches lagen auf einem Teller des liebevoll gedeckten Tisches für den Verzehr bereit. Ein Flasche portugiesischen Rotwein, den sich Martin und Milli für einen schönen Anlass aufgespart hatten, stand gut temperiert neben zwei bauchigen Schwenkgläsern bereit, geöffnet zu werden. Heute sollte nach Martins Dafürhalten so ein Anlasstag sein. Das Wetter war herrlich, die Familie könne schon bald ihre Gemeinsamkeit genießen und für den nächsten Tag war eine Wochenendfahrt zur Martins Eltern geplant. Alles schien perfekt.

„Ich werde sie einfach anrufen. Was meinst du?“, fragte Martin seine Tochter. Aus Prinzip telefonierte er üblicher Weise nicht seiner Frau hinterher. Auch er verwehrte sich dagegen, Kontrollanrufe, wie er es nannte, von ihr zu bekommen. In dieser Hinsicht war er ein wenig eigen. Aber jetzt, jetzt war doch ein Ausnahmefall und schon wählte er ihre Nummer. „Endlich mein Schatz. Wo bist du? Wir warten bereits sehnsüchtig auf dich.“ Zunächst Stille. Martin war es, als vernehme er ein lautes Atmen. Dann ein Stöhnen. Gerade so, als ob jemandem der Mund zugehalten wird und er nicht schreien kann. Oder geknebelt, schoss es ihm angstvoll durch den Kopf. Dieser Jemand, diese Person die schreien wollte aber offensichtlich daran gehindert wurde, war der Stimme nach eindeutig eine Frau. Ludmilla! Nein, bitte Allmächtiger, was soll das bedeuten?

„Was ist mit dir?“, herrschte Laura ihren Vater an. „Du bist leichenblass. Jetzt sag schon. Hast du Mama erreicht?“

Die Verbindung war unterbrochen. Martin drückte noch einmal die Kurzwahltaste. Milli anrufen. Sofort ertönte ihre liebliche Stimme vom Band: „Hier spricht Ludmilla Frei. Ich bin im Moment nicht…..“

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